Wale und Delfine in der Geschichte und Mythologie

Wale und Delfine haben aus der Perspektive des Menschen seit Jahrtausenden eine besondere Stellung in der Fauna inne. Delfine tauchen oft in der griechischen Mythologie auf, die Griechen waren davon überzeugt, dass Delfine einst Menschen  waren und sie deshalb einige menschliche Wesenszüge zu zeigen schienen. In Erzählungen waren sie fast immer dabei behilflich, einen schiffbrüchigen Helden wieder ans Ufer zu geleiten und nicht weniger als fünf frühchristliche Heilige sollen von Delfinen gerettet worden sein. Sie wurden von den Göttern verehrt und in manchen Fällen wurden sie selbst als Gottheiten oder übernatürliche Wesen betrachtet. Der Gangesdelfin z.B. verkündete die himmlische Geburt des Ganges und die rosafarbenen Flussdelfine im Amazonasgebiet verfügten im Volksglauben über die Fähigkeit, sich in einen Menschen zu verwandeln, die Einheimischen mit ihrem Charme zu verzaubern und Kinder zu zeugen.

Mosaik mit Delfinen

Mosaik mit Delfinen

Wale erschienen noch geheimnisvoller, da der Mensch sie nur selten zu Gesicht bekam. In der chinesischen Mythologie ist die Rede von einem Wal mit menschlichen Händen und Füßen, der über den Ozean herrschte. In einigen Kulturen, wie in Ghana oder Vietnam wurden Wale mit dem Göttlichen assoziiert und religiöse Zeremonien abgehalten, wenn Wale gestrandet waren.

Die Ehrfurcht vermischte sich aber auch mit dem Drang, Wale zu verfolgen und zu töten. Eine isländische Sage erzählt von einem Mann, der einen Finnwal tötete, indem er einen Stein in dessen Atemloch warf. Zur Strafe durfte er 20 Jahre lang nicht mehr aufs Meer fahren. Als er noch ein einziges Jahr ausharren musste, widersetzte er sich dem Verbot  und fuhr aufs Meer hinaus, woraufhin er umgehend von einem Wal getötet wurde. In der Moderne wurde im berühmten Roman ‘Moby Dick’ von Herman Melville eine ähnlich selbstzerstörerische Obsession dargestellt.

Wer Walen oder Delfinen Schaden zufügt, der zerstört sich letztendlich selber. Diese Weisheit liegt vielen mythologischen und modernen Erzählungen über die Meeressäuger zugrunde. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Tiere zu spirituellen Symbolen der westlichen New-Age-Kultur und in Filmen wie ‘Free Willy’ repräsentieren die Tiere unser inneres Streben nach Freiheit und Selbstentfaltung. Walen und Delfinen werden gerne unsere eigenen Hoffnungen und Ängste zugeschrieben und ihre Rolle in der menschlichen Kultur zeigt, wie sehr wir uns mit ihnen identifizieren.

Delphin

Delfine sollen schon einige Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben.

Jona und der Wal

Die wohl bekannteste Erzählung über Wale findet sich in der Bibel. In der Geschichte von ‘Jona und der Wal’ ist Jona  zornig und wendet sich von Gott ab. Gottes vermeintlicher Mangel an Mitgefühl für die Leiden der Menschen veranlassen Jona dazu, seinen Glauben aufzugeben. Auf hoher See wird Jona dafür verantwortlich gemacht, durch seinen Zorn einen schweren Sturm verursacht zu haben, der die Leben der Seeleute an Bord gefährdet. Jona wird von den Seeleuten ins Wasser geschleudert, um dort vermeintlich zu ertrinken, aber stattdessen wird er von einem riesigen Wal verschluckt. Drei Tage lang verweilt Jona im Bauch des Wales und hat dort schließlich eine Eingebung. Ihm wird klar, dass Gott sein Leben verschont hat und ihm eine zweite Chance gewährt. Als Gott den Sinneswandel Jonas’ beobachtet, befielt er dem Wal, Jonas wieder auszuspucken. Anschließend entsendet er Jonas, um den Menschen von seiner Rettung zu berichten und ihnen den Weg Gottes näherzubringen. Jona und der Wal ist eine Geschichte, aus der zahlreiche Lehren gezogen werden können. Jeder sollte sich im Alltag in Tugenden wie Geduld und Mitgefühl üben. Eine noch wichtigere Lehre scheint die Gnade Gottes zu sein, die jede, noch so ausweglose Situation zum Guten zu wenden vermag.

Illustration zum ‘Buch des Jona’

Illustration zum ‘Buch des Jona’

Griechische Antike

Einige der ältesten Legenden über Delfine finden sich in der griechischen Mythologie. Die Griechen glaubten, dass der Sonnengott Apollo die Gestalt eines Delfins annahm, als er das Orakel von Delphi auf dem Parnassusberg errichtete. Die alten Griechen glaubten auch, dass Orion auf dem Rücken eines Delfins in den Himmel ritt und dort von den Göttern mit drei Sternen bedacht wurde. Dieses Sternbild ist heute als Oriongürtel bekannt.

Die vor-hellenischen Kreter verehrten Delfine als Boten der Götter und der griechische Dichter Oppian beschrieb eine göttliche Intervention, welche die Delfine veranlasste, ins Meer zu gehen. Auf Verlangen des Gottes Dionysos tauschten Menschen ihr Leben an Land gegen ein Leben im Meer und verwandelten sich in Delfine. Obwohl sie eine andere Form hatten, wurde angenommen, dass die Delfine einen Teil ihrer Menschlichkeit beibehielten. Oppian beschrieb auch Delfine, die absichtlich strandeten, damit die Menschen sie beerdigen konnten und sich der Freundschaft der Delfine besinnen konnten. Die Enge Beziehung zwischen Mensch und Delfin führte auch dazu, dass das Töten eines Delfins mit dem Mord an einem Menschen gleichgestellt wurde und beide Verbrechen mit dem Tode bestraft wurden.

Folkore

Die Maori glauben, dass ihre Vorfahren auf dem Rücken eines Wals sicher über den Ozean bis nach Neuseeland transportiert wurden. Sie bezeichnen die Pottwale in den Gewässern um die südliche Insel als ‘taonga’, was so viel wie ‘Schätze’ bedeutet. Sollte ein Wal stranden, werden Gebete für ihn gesprochen, damit seine Seele zurück zum Tangaroa, dem Meeresgott der Maori gelangen kann. Danach wird der Unterkiefer des Wals entnommen und mit zeremoniellen Schnitzereien versehen, um anschließend den Ort der traditionellen Zusammenkünfte der Maori-Gemeinschaften damit zu dekorieren.

Die Inuit im nördlichen Alaska sicherten seit über 1000 Jahren mit Erzeugnissen aus erlegten Walen ihr Überleben. Wie viele traditionelle Völker, die sich von der Jagd ernährten, wurde die Jagd bei den Inuit von Zeremonien begleitet, um Erfolge zu sichern. Die Jäger trugen zum Schutz oft Amulette und Glücksbringer aus Walknochen mit sich. Der Schädelknochen eines toten Wals wurde mitunter auch ins Meer zurückgebracht, damit der Wal ewig weiterleben oder wiedergeboren werden konnte und auch in der Zukunft Wale erlegt werden konnten.

Maske aus Walknochen

Maske aus Walknochen der Inuit

An den Küsten Australiens standen die Ureinwohner für Jahrtausende in direkter Kommunikation mit dem Indopazifischen Großen Tümmler. Die Aborigines hatten in ihren Gemeinschaften Medizinmänner, die die Delfine riefen und mit ihnen telepathisch kommunizierten. Die Delfine trugen im Glauben der Ureinwohner zum Glück und Wohlergehen der Stämme bei.                           Das indigene Volk der Kombumerri im heutigen Queensland pflegte eine ganz einzigartige Beziehung zu den Delfinen, denn diese halfen den Kombumerri beim Jagen von Fischen. Die Kombumerri wateten mit ihren Speeren und Netzen ins Wasser hinaus und machten laute Geräusche, woraufhin die Delfine Fische in Richtung der Jäger trieben. Die Kombumerri teilten einen Teil ihrer Beute anschließend mit den Delfinen. Noch heute sind Delfine für die Kombumerri ein heiliges Tier.

Eine alte Zeichnung von Walen

‘Three beached whales’ England, 1577

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