Die Kontroverse des Walfangs

Menschen machten seit Urzeiten Jagd auf Wale, um mit deren Fleisch und Speck ihre Grundbedürfnisse zu decken und so ihr Überleben zu sichern. Jahrtausende lang erlaubte das Klima in kalten Regionen Völkern wie den Inuit oder den Ureinwohnern Grönlands nicht, Gemüse und Getreide anzubauen, um sich davon zu ernähren. Walfleisch war in diesen Gegenden der Welt ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Walspeck war eine Energiequelle und lieferte wichtige Vitamine, Walfleisch lieferte Proteine, Niacin und Eisen. Jeder Teil eines erlegten Wals wurde verspeist oder als Brennöl für Lampen oder zur Herstellung von Werkzeugen und Schlitten verwendet. Auch in Europa hat der Walfang eine lange Tradition und schon im 10. Jahrhunderten machten die Basken im Golf von Biscaya Jagd auf Wale. Leider wurden schon damals zu viele Tiere erlegt, sodass die Walpopulationen stark zurückgingen und die Jäger in immer neuen Gebieten nach ihrer Beute Ausschau halten mussten.

Walfang

Der kommerzielle Walfang war ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Walöl und kommerzieller Walfang

Wale wurden auch aufgrund ihres Öls gejagt. Walöl lieferte Brennstoff für Öllampen und diente als Rohstoff für Wachskerzen. Es wurde auch als Grundstoff für Margarine und Motorenöl verwendet sowie als Schmiermittel für Automatikgetriebe, als Kosmetikzutat, für Parfums, Lösungsmittel und Vitaminsupplement. Durch das vielseitig einsetzbare Walöl wuchs die kommerzielle Walfischerei zu einem wichtigen Wirtschaftszweig heran. Im 17. Jahrhundert machten holländische Schiffe vor Spitzbergen Jagd auf Wale und Walfänger aus Deutschland folgten bald darauf ihrem Beispiel. Die Wale wurden damals mit Harpunen gejagt und anschließend mit Speeren erstochen, bis sie verbluteten. In den 1930er Jahren stieg Deutschland sogar zur drittgrößten Walfangnation der Welt auf und deutsche Schiffe machten vor allem in der Antarktis Jagd auf Wale und deren begehrtes Öl. Ein durchschnittlicher Pottwal lieferte etwa 4000 bis 6000 Liter Öl. Walöl trug daher zum wirtschaftlichen Wachstum vieler Länder bei, darunter den USA, Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Deutschland war nach dem Ersten Weltkrieg der größte Abnehmer für Walöl. Im Zweiten Weltkrieg wurde die deutsche Walfangflotte beschlagnahmt und danach gab es offiziell keinen Walfang unter deutscher Flagge mehr. Heute sind deutsche Schiffe und Besatzungen eher dem Umwelt- und Walschutz verschrieben und internationale Organisationen setzen sich mit deutscher Unterstützung gezielt für den Schutz der vom Aussterben bedrohten Walarten ein.

Gemälde eines Wals

Höllandische Walfänger bei Spitzbergen, Abraham Stork, 1690

Das internationale Walfangmoratorium

Auch die Menschen in den arktischen Regionen sind heute nicht länger vom Walöl abhängig, denn Erdöl und dessen Produkte haben Walöl als Brennstoff und Zutat in Industrieprodukten ersetzt. Wale werden aber weiterhin gejagt, obwohl 1986 vom IWC ein Verbot für den kommerziellen Walfang erlassen wurde. Norwegen wehrte sich gegen das internationale Walfangverbot und setze eine jährliche Quote durch, um Zwergwale weiterhin töten zu können. Allerdings überschreitet Norwegen diese Quote regelmäßig. Auch Island widersetzte sich dem internationalen Druck, den Walfang zu unterlassen. Das Hauptargument der Isländer dafür lautete, dass ein Ende des Walfangs die wirtschaftliche Existenz vieler Landsleute bedrohen würde.

Walfangstation

Walfangstation in Norwegen, ca. 1920

Japan ist es laut dem Artikel VIII der internationalen Konvention für den Walfang weiterhin gestattet, jährlich eine gewisse Anzahl an Walen zu töten. Die japanische Regierung hat angegeben, zu Forschungszwecken die Wale weiterhin jagen zu wollen. Internationale Tierschutzorganisationen bezichtigen die Japaner allerdings, Wale zu jagen, um deren Fleisch in Japan als teure Delikatesse zu verkaufen.

Japan und der Walfang

Der Verzehr von Walfleisch hat in der Kultur Japans eine lange Tradition. Nach dem 2. Weltkrieg war Walfleisch von entscheidender Bedeutung, um die Nahrungsversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, denn es war eine günstige Proteinquelle in der Nachkriegszeit. In den 40er bis 60er Jahren wurde Walfleisch in Japan sogar in Schulkantinen serviert. Die jungen Japaner von heute essen dagegen sehr viel weniger gerne Walfleisch. Eine Umfrage von Greenpeace aus dem Jahr 2006 ergab, dass 95% der Japaner nie oder nur sehr selten Walfleisch konsumieren. Trotz internationaler Proteste töten japanische Fischer immer noch jedes Jahr etwa 300 Wale, darunter hauptsächlich Zwergwale. Der japanische Walfangverband ist darüber hinaus sehr einflussreich und wirbt immer wieder für den Konsum des dunklen Fleisches.

Walfleisch

Walfleisch als Delikatesse

Die Gründe warum Japan den Walfang nicht aufgeben möchte sind wahrscheinlich kulturell bedingt. Oft wird angenommen, dass die Japaner, anders als viele Europäer oder US-Amerikaner  Wale nicht als charismatische Säugetiere, deren Konsum mit einem universellen Tabu behaftet ist, betrachten. Das japanische Schriftzeichen für ‘Wal’ beinhaltet eine Komponente, die einfach nur ‘Fisch’ bedeutet. Wale werden daher in der japanischen Kultur einfach als große Fische angesehen. Die japanischen Walfänger sind darüber hinaus stolz darauf, dass sie alle Bestandteile der Wale verwenden. Während die westlichen Walfangnationen nur auf das Öl im Speckmantel der Wale aus waren und das Fleisch wieder ins Meer warfen, gilt Walfleisch in Japan immer noch als Delikatesse, die dort seit vielen Jahrhunderten gegessen wird, wenn auch heutzutage in geringerem Umfang. Seit der Walspeck nicht mehr zur Ölgewinnung dient, wird selbst dieser in Japan verspeist. Ein Tier zu töten, um es nur teilweise zu verwenden ist aus der Sicht des traditionellen japanischen Walfangs ein Verstoß gegen die ungeschriebenen Gesetze, die das Verhältnis zwischen Jäger und Beutetier regeln.

Die Jagd auf Wale

Die Jagd auf Wale heute.

Japanische Fischer errichteten in vielen Teilen des Landes Schreine, um die Seelen ihrer Beutefische zu ehren und um ihre Dankbarkeit für große Fänge von Walen und Thunfischen auszudrücken. Die meisten dieser Schreine, etwa über 50 davon, sind den Walen gewidmet und der älteste wurde bereits 1671 in Kumano errichtet. Historisch betrachteten die Japaner Fische und Wale nicht als Objekte, sondern als beseelte Kreaturen. Die kleinen Monumente spiegeln die Gefühle der Vorfahren der heutigen Japaner wider und wie diese ihr Verhältnis zur Natur und deren Geschöpfen wahrnahmen.

Japanische Walfänger

Japanische Walfänger in der Arktis, 1937

Ein weiteres Argument des japanischen Walfangverbandes besteht daraus, dass die gejagte Walart, also hauptsächlich der 6 bis 10 Meter lange Zwerg- oder Minkwal nicht vom Aussterben bedroht ist. Zwergwale sind besonders zutrauliche Wale und wurden daher seit dem Mittelalter gejagt. In den Zeiten des kommerziellen Walfangs wurden allerdings die sehr viel ertragreicheren, größeren Walarten wie der Pottwal, der Buckelwal, der Glattwal und der Finnwal gejagt, was dazu führte, dass die großen Walarten in der Mitte des 20. Jahrhunderts akut vom Aussterben bedroht waren. Die Zwergwale hingegen waren die einzige Walart, die sich im 20. Jahrhundert, auch aufgrund der schwindenden Großwalpopulationen, vermehren konnte. Heute werden etwa 1300 Zwergwale pro Jahr vom Menschen getötet, in den 1970er Jahren jagte man noch über 12.000 Zwergwale pro Jahr. Der Anteil von Walfleisch in der japanischen Küche ist heute verschwindend gering. Darüber hinaus sind heute die größten Gegner des Walfangs Länder, in denen riesige Mengen an Nutztieren wie Rinder, Schweine und Geflügel konsumiert werden, also die USA, Kanada, Neuseeland und Australien (die meisten davon gehörten in der Vergangenheit auch zu den größten Walfangnationen). Auch europäische Länder, die sich gegen den Walfang ausgesprochen haben, also Großbritannien, Frankreich, Holland und Deutschland sind Länder, in denen sehr viel Fleisch konsumiert wird. Die Walfanggegner sind also Länder, in denen überwiegend Nutztiere konsumiert werden, während die Befürworter des Walfangs Länder sind, in denen traditionell sehr viel gefischt wird. Die traditionellen Walfangnationen wie Japan, Grönland oder Island haben schon immer Walfleisch konsumiert und waren von den Walen abhängig, um zu überleben, während Länder wie Deutschland oder Großbritannien aus ganz anderen Gründen Wale jagten und diese fast ausrotteten. Da die Massentierhaltung zur Fleischproduktion extrem umweltbelastend ist, sollten die heutigen Walfangegner vielleicht erst ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten überdenken.

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